Über welche Reiche sprechen die Propheten, Jesus und die Offenbarung?
Verweisen die biblischen Begriffe Reich der Himmel, Friedensreich und dasTausendjährige Reich auf unterschiedliche Reiche, zu verschiedenen Zeitaltern?
Im griechischen Urtext nennt sich der eine Begriff βασιλεία τοῦ θεοῦ und wird klassischerweise mit „Reich Gottes“ übersetzt. Er findet sich etwa 68 Mal in 10 verschiedenen Büchern des Neuen Testaments, je nach Übersetzung und Version.
Ein weiterer griechischer Ausdruck βασιλεία τῶν οὐρανῶν wird mit „Himmelreich“ übersetzt. Er findet sich 32 Mal und exklusiv im Matthäus Evangelium und viele verbinden damit das Paradies im Jenseits. Wegen seiner jüdischen Zielgruppe kamen andere Interpreten zu dem Schluss, Matthäus hätte über das „Tausendjährige Reich“ geschrieben, während die anderen Autoren des Neuen Testaments auf das universelle Königreich Gottes verwiesen.
Vergleicht man die Evangelien, stellt man jedoch fest, dass Jesus „Himmelreich“ und „Reich Gottes“ tatsächlich austauschbar verwendet!
Matth. 19,23 Wahrlich, ich sage euch: Ein Reicher wird schwer ins Himmelreich kommen. Und weiter sage ich euch: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.“
Wo in Markus und Lukas „Reich Gottes“ steht, entdeckt man in den Parallelstellen bei Matthäus den Ausdruck „Himmelreich“.
Jesus unterscheidet offensichtlich nicht zwischen den beiden Begriffen, sie sind in ihrer Bedeutung synonym, wie folgende Beispiel zeigen:
- Matthäus 11,11-12 – Lukas 7,28
- Matthäus 13,11 – Markus 4,11 – Lukas 8,10
- Matthäus 13,24 – Markus 4,26
- Matthäus 13,31 – Markus 4,30 – Lukas 13,18
- Matthäus 13,33 – Lukas 13,20
- Matthäus 18,3 – Markus 10,14 – Lukas 18,16
- Matthäus 22,2 – Lukas 13,29.
Die Annahme, mit Himmelreich“ wäre etwas Zukünftiges oder Jenseitiges gemeint, widerspricht einigen Stellen, wie in Markus 1,15 “die Zeit ist erfüllt und das Himmelreich ist herbeigekommen”.
Hieraus lässt sich schließen, beide Begriffe meinen dasselbe Reich.
Dass Jesus Christus der im Alten Testament angekündigte Messias ist, darin sind sich alle Christen einig. Im Alten Testament wird aber nicht nur der Messias, sondern eine Ära des Friedens und Heils prophezeit. Was sahen die Propheten da voraus?
Der Ausdruck „Reich Gottes“ oder „Gottes Königsherrschaft“ ist jedem Juden ein Begriff. Jeder Jude kennt und erwartet die Erfüllung dieser Prophezeiungen durch den Messias.
Hesekiel 37,24-27 Und mein Knecht David soll ihr König sein und der einzige Hirte für sie alle. …Und ich will mit ihnen einen Bund des Friedens schließen, der soll ein ewiger Bund mit ihnen sein. Und ich will sie erhalten und mehren, und mein Heiligtum soll unter ihnen sein für immer. Meine Wohnung soll unter ihnen sein, und ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein, damit auch die Völker erfahren, dass ich der HERR bin, der Israel heilig macht, wenn mein Heiligtum für immer unter ihnen sein wird.
Die Juden erhofften sich, der Messias werde das Davidreich erneuern, das Volk Israel von jeder Fremdherrschaft befreien und einen irdischen Staat mit Weltmacht errichten. Jesus macht dagegen klar, dass sein Reich nicht irdischen, sondern geistlichen Prinzipien folgt:
Johannes 18,36 Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt; wenn mein Reich von dieser Welt wäre, so hätten meine Diener gekämpft, damit ich den Juden nicht überliefert würde, jetzt aber ist mein Reich nicht von hier.
Jesus füllte die Ausdrücke „Messias“ und „Reich Gottes“ mit einem anderen Inhalt:
Das Reich Gottes ist eine neue Wirklichkeit, die sich in dieser Welt auftut. Nicht bloß eine Veränderung der bekannten Realität z.B. indem die römische Herrschaft in Israel durch eine jüdische ersetzt würde. Vielmehr wurde der bekannten, sichtbaren Wirklichkeit eine neue hinzugefügt. Diese neue Wirklichkeit sieht man nicht mit natürlichen Augen, denn sie definiert sich nicht irdisch über Territorien und einem politischem Staatsoberhaupt.
Das Himmelreich meint auch nicht die Dimension im Jenseits oder in Zukunft. Gemäß der Schrift begann mit Jesu Wirken die Herrschaft Gottes auf Erden durchzubrechen und durchdringt sie seitdem zunehmend. Das Reich Gottes, seine Königsherrschaft ist überall dort in Kraft, wo in seinem Sinne gelebt und agiert wird. Wo Gerechtigkeit und Gnade dominieren, und wo Jesus Christus König und Herr aller Herren ist.
Das Tausendjährige Reich ist ein eigenes Kapitel, könnte man meinen. Darüber gab und gibt es die verrücktesten Theorien. Selbst die Nazis propagierten, mit ihnen wäre das Tausendjährige Reich angebrochen. Der Ausdruck „Drittes Reich“ steht tatsächlich in direktem Zusammenhang damit, im WorldWideWeb gibt es dazu zahlreiche Informationen, ganz interessant fand ich diesen Artikel
Fakt ist, in der Bibel steht nirgendwo der Ausdruck „Tausendjähriges Reich“!
Er existiert ausschließlich in nachträglich eingefügten Überschriften der Übersetzer. Kein einziger Autor der Bibel nennt ein Tausendjähriges Reich.
Dieser Begriff entstand vielmehr aufgrund von späten Interpretationen einer einzigen Stelle im Buch der Offenbarung, worin „tausend Jahre“ und „herrschen“ mehrfach vorkommen:
Offenbarung 20,1-8 Und ich sah einen Engel aus dem Himmel herabkommen, der den Schlüssel des Abgrundes und eine große Kette in seiner Hand hatte. Und er griff den Drachen, die alte Schlange, die der Teufel und der Satan ist; und er band ihn tausend Jahre und warf ihn in den Abgrund und schloss zu und versiegelte über ihm, damit er nicht mehr die Nationen verführe, bis die tausend Jahre vollendet sind. …, und sie wurden lebendig und herrschten mit dem Christus tausend Jahre. Die Übrigen der Toten wurden nicht lebendig, bis die tausend Jahre vollendet waren. Dies ist die erste Auferstehung. Glückselig und heilig, wer teilhat an der ersten Auferstehung! … sie werden Priester Gottes und des Christus sein und mit ihm herrschen die tausend Jahre. Und wenn die tausend Jahre vollendet sind, wird der Satan aus seinem Gefängnis losgelassen werden und wird hinausgehen, die Nationen zu verführen, die an den vier Ecken der Erde sind, den Gog und den Magog, um sie zum Krieg zu versammeln; deren Zahl ist wie der Sand des Meeres.
- Die Szene handelt von einem Engel, einem Drachen, Throne und Gericht, Seelen von Märtyrern: es ist zweifellos eine Szene in einer geistlichen Dimension
- Tausend klingt für uns Europäer nach einer definierten Zahl. Das Jüdisch-Hebräische dagegen versteht „tausend“ nicht so eng: in den Psalmen 84,10 heißt es, ein Tag in Gottes Gegenwart ist besser als Tausend andere, in 50,10 steht, Gott gehöre alles Vieh auf tausend Bergen. Auch viele weitere biblische Stellen, lassen darauf schließen, dass „tausend“ metaphorisch eine sehr weite Ausdehnung oder Größe beschreibt.
- Tausend Jahre drücken wörtlich zwar eine Zeitspanne aus, doch die Ereignisse finden der Beschreibung nach in einer geistlichen Dimension statt. Daher ist wahrscheinlich, dass Johannes damit versuchte, eine passende, irdische Umschreibung für eine enorme Spanne im Überirdischen zu finden.
- Johannes sieht die Seelen der Märtyrer. In Offenbarung 6,9-11 berichtet er, wie sie unter einem Altar nach Gottes Rache rufen. In Offenbarung 20 sieht er sie lebendig, auf königlichen Thronen und sie regieren sehr weiträumig mit Christus: Gott hat gerichtet!
- Johannes sieht, wie diese Gerechten „tausend Jahre“ mit Christus herrschen. Es wird nicht erwähnt, sie würden irdisch regieren und es sagt nichts darüber aus, wie lange Christus regiert. Sicherlich regierte er schon davor und wird es sicherlich darüber hinaus.
- Schwerpunktmäßig sagt Offenbarung 20 aus, die Sache Christi, für die Menschen ihr Leben gelassen haben, siegt über alles Böse und das Gute triumphiert überragend.
Einen ausführlichen Artikel findest du hier auf der Seite vom Bibelcenter.
Generell empfiehlt es sich nicht, ein theologisches Konzept auf eine einzige Bibelstelle aufzubauen. Vor allem, wenn andere Stellen und Jesus selbst einem irdischen Reich mit ihm als Präsident widersprechen.
Das Wort „Reich“ mag suggerieren, es beziehe sich auf ein politisches, territoriales Gebiet, doch der biblische Begriff ist vielmehr eine Umschreibung von „Gott regiert“ bzw. der „Königsherrschaft Gottes“.
Die Hoffnung der Juden, der Messias würde den Staat Israel festigen und ein politisches Weltreich mit Jerusalem als Hauptstadt aufrichten, hat Jesus bereits vor 2000 Jahren nicht erfüllt.
Dass Jesus beabsichtigt, dies in Zukunft nachzuholen, ist gemäß der Schrift ebenso unwahrscheinlich. Auch wenn solche Erwartungen heute noch in manchen Kreisen propagiert werden. Prüft man Offenbarung 20 näher, kommt man zu dem Schluss, dass dies nicht die Aussage sein kann.
Die Propheten im Alten Testament wie Jesaja, Daniel, Hesekiel, auch Jesus Christus selbst und Johannes meinen ein einziges Reich: die Dimension, in der seiner Majestät Jesus Christus alle Ehre, Macht und Ruhm gegeben sind.
Daniel 2,44 Und in den Tagen dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, das ewig nicht zerstört werden wird. Und das Königreich wird keinem anderen Volk überlassen werden; es wird all jene Königreiche zermalmen und vernichten, selbst aber wird es ewig bestehen.