Rätselst du beim Bibellesen über Gottes Verhalten? Fragst dich, wie ein gütiger Gott auch zornig und vernichtend sein kann? Warum er manche Vergehen ungestraft ließ, andere Missetaten aber gnadenlos rächte?
Beispiel: als Abraham vorgab, Sarah sei seine Schwester, obwohl er mit ihr verheiratet war, wurde er nicht von Gott bestraft. Der Pharao hingegen schon, denn er hielt die Ehefrau eines anderen in seinem Harem. Warum strafte Gott Pharao, Abraham aber nicht?
Ist Gott unberechenbar?
Die Geschichte Gottes mit der Menschheit lässt sich in fünf Epochen gliedern, die sich durch die jeweilige Bundesära definieren. Der Schlüssel liegt in der jeweils geltenden Bundesbeziehung.
Ein Bund ist kein Vertrag, dessen Gegenstand Leistungen und Kosten sind. Vertragspartner bleiben auf Sachebene und können das Verhältnis kündigen.
Ein Bund wird auf Beziehungsebene geschlossen und gilt auf Lebenszeit. Die Bundespartner vereinbaren gemeinsam in die Zukunft zu gehen. Bundespartner tun nichts, was dem anderen zuwider ist, sie machen die Interessen des Bundespartners auch zu íhren eigenen. Mehr noch, sie passen sich selbst an dessen Werte und Ziele an. Die Essenz eines Bundes ist Leben und Gemeinschaft.
In der Beziehung Gottes zu Menschen gilt: Gott liebt jeden Einzelnen.
Der Knackpunkt ist: nicht jeder Mensch ist in Bundesbeziehung mit Gott!
Nur wer in einer Bundesbeziehung lebt, hat ein Recht auf Bundestreue und bei Gott auch die absolute Gewissheit, dass er demgerecht handeln wird.
Bünde waren im Altorient gängige Praxis. Die Bibel beschreibt drei unterschiedliche Bundesformen, die Gott mit Menschen schloss.
- Gnadenbund

Ein Bund der Gnade wurde geschlossen zwischen zwei Parteien von unterschiedlichem Rang. Der Höhere bot den Bund an und sicherte dem Geringeren damit Schutz und Wohltaten. Der Geringere musste dafür keine Leistungen erbringen. Er genoss die Vorteile aufgrund seiner Gunst beim Höheren. So ähnlich wie bei einem heilen Verhältnis zwischen Eltern und ihren Kindern. Bünde der Gnade schloss Gott mit Noah, Abraham und David.
- Bund der Gefährten

Ein Bund von Gefährten wurde geschlossen zwischen zwei ebenbürtigen Parteien. Man einigte sich auf einige wenige Grundsätze. Diesen Typ Bund wollte Gott ursprünglich mit den Israeliten eingehen, als er sie aus Ägypten geführt hatte, damit hätte jeder aus dem Volk ihm auf Augenhöhe begegnen können. Eine solche Bundesform kennen wir bis heute, als Bund der Ehe.
- Vasallen-Bund

Ein Vasallenbund wurde zwischen zwei Parteien mit deutlichem Machtgefälle geschlossen. Zwischen jemand Hohem, Mächtigen, einem König und jemand von geringem, niedrigem Rang, dem Vasallen. Die Vasallen unterwarfen sich dem König auf Lebenszeit, waren verpflichtet Abgaben und Kriegsdienste zu leisten und der König gewährte ihnen im Gegenzug Schutz. Wenn Vasallen ihre Dienste voll abgeleistet hatten, dann erst bekamen sie das Recht, ein Landgut zu nutzen. Dies war im Altorient recht gängig, aber auch im europäischen Mittelalter. Diesen Typ Bund hatten die Israeliten am Sinai entschieden mit Gott einzugehen.
Die Bibel berichtet im Wesentlichen davon, wie Gott das Ziel verfolgt, gemeinsam mit Menschen alles wieder herzustellen. Um kooperieren zu können, schloss er mit ihnen sukzessive Bünde. Der historisch-geistliche Kontext nennt sich Kanon. Er enthält die relevanten Informationen, Fakten und Leitlinien zum jeweiligen Bund.
Die 5 Epochen im Überblick:
1.) Der Bund mit Noah: Der zugehörige Kanon ist die Schöpfungsgeschichte, der Sündenfall und dessen Auswirkungen. Im Bund mit Noah segnete Gott seine ganze Familie und die Schöpfung. Er wiederholte seinen Auftrag fruchtbar zu sein, sich zu reproduzieren, die Erde zu füllen und die Schöpfung zu führen. Bis zur Sintflut hatte es auf der Erde nicht geregnet und gleich der erste Regen hatte außer den Passagieren der Arche alles Lebendige vernichtet. Damit beim erneuten Auftauchen von finsteren Regenwolken niemand mehr in Panik verfiel, setzte Gott den farbenfrohen Regenbogen in den Himmel, zur Erinnerung an seine Zuneigung und ewigen Bund. Er versprach, die Erde nie wieder zu vernichten, siehe 1.Mose 8-9.
2.) Der Bund mit Abraham siehe 1. Mose 15: Gott versprach Abraham eine exorbitante Nachkommenschaft und ihm, dem Fremdling, eine ewige Heimat. Der Bund erfüllte sich zuerst am Volk Israel, dann mit der Ära Jesu an allen geistlichen Nachkommen Abrahams, also allen Gläubigen aus jeder Nation. Denen schenkt Gott eine ewige Heimat in seinem Reich. Auch dieser Bund der Gnade besteht weiter.
3.) Der mosaische Bund vom Sinai war ein Vasallenbund und von Gott ursprünglich ganz anders geplant. Das Volk, geprägt von 400 Jahren Versklavung im heidnischen Ägypten, bekam von Gott zehn simple Regeln, die das Miteinander definieren und schützen sollten. Gott wollte in direkter Bundesbeziehung mit jedem von ihnen treten. Doch die Ältesten des Volkes, traumatisiert von der grausamen Willkür ihrer vormaligen Herrscher und Götter, trauten der Güte Gottes nicht. Sie erbaten sich daher einen Mittler, Mose, und klare Regeln und Vorgaben, denn sie meinten damit auf der sicheren Seite zu sein. Diese Gesetze wurden Gegenstand des Bundes, welcher mit dem Tod Jesu abgegolten wurde. Daher auch Alter Bund genannt.
Fun fact: Du kennst die Abbildungen in Kinderbibeln, Mose hält zwei Steintafeln, mit römisch I – V auf der einen Tafel und VI – X auf der zweiten?
Tatsächlich waren römische Zahlen damals noch völlig unbekannt. Außerdem waren beide Tafeln identisch, nämlich für jeden Bundespartner eine Ausfertigung.
Auf die Gesetzestafeln meißelte man die Präambel, Vorgeschichte, Grundsatzerklärung, Einzelbestimmungen, Anrufung der Götter als Zeugen, sowie Fluch und Segen.
Jede Partei verwahrte ihr Exemplar in einer Bundeslade an einem heiligen Ort. Nicht nur die Israeliten hatten eine Bundeslade, es war im Altorient völlig gebräuchlich.
Jeder Bundespartner schwor Gerechtigkeit = Bundestreue bei einer höheren Instanz seines Vertrauens, seinem Gott. Sollte ein Partner bundesbrüchig werden, würde sein eigener Gott ihn dafür strafen. So auch beim mosaischen Bund. Weil Gott keine höhere Instanz hat als sich selbst, gab es für ihn keinen Höheren, bei dem er die Bundestreue hätte schwören können.
Die Israeliten schworen die Bundestreue bei ihrem Gott Jahwe.
Damit aber machten sie ihn nicht nur zu ihrem schützenden Bundespartner, sondern zugleich zu ihrem Verfolger im Fall ihrer Untreue! Dies brachte Gott in ein fortwährendes Dilemma. Er musste nun aufgrund dieser Stellung immer wieder strafend eingreifen, was seinem wahren Wesen der Güte und Gnade eigentlich widerstrebt.
Diese zwiespältige Position erklärt, wie es zu den zornigen, strafenden Aussprüchen Gottes kommen konnte.
All die wütenden, strafenden, rachsüchtigen Aussprüche Gottes findest du ausschließlich im Kontext des Alten Bundes! Nirgendwo sonst in der Bibel findet sich wörtlich der Ausdruck vom „Zorn Gottes“.
Zwar war Gott auch davor empört über Ungerechtigkeit und Perversion. Er sah sich auch einmal genötigt, die Reset Taste zu drücken, mit der Sintflut. Aber nur der mosaische Bund vom Sinai machte ihn rasend vor Wut!
Warum?
Der Bund wurde religiös ausgelebt, nicht auf Basis von Wertschätzung und Vertrauen.
Wie in einer Beziehung, wenn der eine nur Nettigkeiten gibt, um im Gegenzug seine Wünsche erfüllt zu bekommen. Gott tickt da anders. Er schenkt, weil er großzügig ist. Deshalb schloss er zwei weitere Bünde.
4.) Der Bund mit David wiederum war ein Bund der Gnade, mit der Zusage, einer seiner Nachkommen werde das Reich festigen, sich auf den Thron setzen und auf ewig herrschen. Siehe 2.Samuel 7. Diese Zusage erfüllte Jesus, als Messias.
5.) Der Neue Bund: Jesus Christus ist die Erfüllung des Bundes mit Abraham und des Bundes mit David und er ist die Auslösung vom Bund am Sinai. In Christus und seinem Reich ist unsere Heimat, in seinem himmlischen Königreich leben wir frei von jeder Fremdherrschaft, in innerem Frieden, mit allen Segnungen Gottes durch seine Gnade. Der Kanon dazu findet sich im Neuen Testament.
Der Neue Bund ist sowohl ein Bund der Gnade, als auch ein Bund der Gefährten:
- Bund der Gefährten, weil er geschlossen wurde zwischen Gott dem Vater und Gott dem Sohn und weil er auf nur einem Gebot basiert, nämlich der Liebe. Liebe zu Gott und Liebe zu den Mitmenschen und zwar so, wie Jesus liebt.
- Bund der Gnade, weil alle mit hineingenommen sind, die sich auf Jesus Christus den Auferstandenen berufen, ohne zuvor erbrachte Leistungen. Jeder im Bund darf die Vorteile der Wohltaten, des Segens und Schutzes genießen, die der Höhere, nämlich Gott, dem Geringeren zuteilwerden lässt.
Nun die Antwort auf die Eingangsfrage bezüglich Gottes unterschiedlichem Verhalten gegenüber Abraham und dem Pharao:
Beide hatten gesündigt. Abraham jedoch lebte in Gottes Gnadenbund!
Gott hatte sich verpflichtet, Abraham und seine Familie bedingungslos zu schützen und zu verteidigen. Deshalb sorgte Gott auch für Sarahs Freilassung aus dem Harem. Gottes Bund mit Abraham enthielt keine Klausel, die sich auf Lügen bezog. Die Satzung „du sollst nicht lügen“ kam erst etwa 500 Jahre später, mit den 10 Geboten.
Du siehst, die Zusammenhänge erschließen sich gleich klarer, wenn man über die jeweilige Bundesära im Bilde ist und bei der Auslegung berücksichtigt.
Weil Jesus unter der Ära des Alten Bundes lebte, beziehen sich manche seiner Aussagen darauf. Nicht alles was er gesagt hat, gilt automatisch auch im Neuen Bund.
Abschließend zwei wesentliche Begriffe in Bezug auf Gottes Bünde:
Treue heißt, im gemeinsam geschlossenen Bund zu leben, gemäß den geschlossen Vereinbarungen zu agieren und sein Leben darauf auszurichten.
Gerechtigkeit gemäß der Bibel meint zunächst weniger ein hohes moralisches Niveau, soziale Fairness, noch materiellen Ausgleich für schwächer Gestellte. Gerechtigkeit bedeutet, dass ausschließlich auf Basis der Bundesvereinbarungen, also gemäß geltendem Recht, entschieden wird. Mit allen Konsequenzen und ohne Rücksicht auf anderweitige Verluste oder Gewinne.
Gott ist in seinem Wesen absolut gerecht und hält sich treu an den geltenden Bund. Wer in Christus ist, wird gemäß dem Neuen Bund vor Gott gerecht gesprochen.
Praxis-Tipp:
Die Verhältnisse klären: Bevor du eine Bibelstelle zu deuten versuchst, prüfe zunächst, in welcher Beziehung Gott und Mensch zu jenem Zeitpunkt stehen.
Kennst du den Bund, erschließt sich der Rest fast von selbst!